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Tag der Pflege 2023 – Kampf für Entlastung notwendiger denn je

Trotz aller Versprechungen in der Pandemie: auch 2023 werden die Forderungen und Warnungen der Beschäftigten noch immer nicht gehört. In den vergangenen Monaten haben die gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten von Kliniken und Pflegeeinrichtungen jedoch gezeigt, dass sie eine große Kraft darstellen. Am Vorabend zum Tag der Pflege riefen ver.di und die Initiative Gesundheit statt Profit zur Kundgebung auf. Dem strömendem Regen trotzten immerhin einige Dutzend TeilnehmerInnen aus Nürnberg, Erlangen und Fürth.

Mit fantasievollen Performance-Aktionen machten sie deutlich: Die Arbeitsbedingungen in den Pflege- und Gesundheitsberufen werden immer unerträglicher. Verantwortlich dafür ist eine Politik, die bewusst auf Profitorientierung setzt, anstatt die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund zu stellen. So wurde von den Gewerkschaftsaktiven eine Klagemauer errichtet, auf der deutlich gemacht wurde, dass der Leidensdruck und der Zorn der Beschäftigten zusehends steigt.

Grußworte gab es von der Arbeitsgruppe Pflege der Partei „Die Linke“. Anna-Magdalena Marschner vom Klinikum Europakanal in Erlangen schilderte eindrücklich den Alltag im Pflegeberuf.

Die Initiative präsentierte das „Lied von Pflexit oder Rebellion“. Mit Humor und den Mitteln der Satire übt die pantomimisch unterstrichene Gesangsdarbietung Kritik an den Verhältnissen und fordert das Ende der Profitorientierung und den Entlastungskampf.

Im Folgenden dokumentieren wir Anna-Magdalena Marschners Rede und das Lied von Pflexit oder Rebellion:

Wenn das so weitergeht, pflegt euch selbst

Mein Name ist Anna-Magdalena Marschner, ich bin seit 15 Jahren Gesundheits- und Krankenpflegerin und arbeite am Klinikum am Europakanal in Erlangen. Überall höre und lese ich, dass es einen Pflegenotstand gibt. Aber was hilft mir das, wenn ich wieder einmal zum Frühdienst komme und mir noch in dem Moment, in dem ich mir einen Kaffee nehme, denke: „Wer weiß, ob ich heute noch einmal einen bekomme.“

Die Tasse noch nicht leer, da geht es auch schon los. Noch vor der Übergabe klingeln die ersten Patient:innen. Zwischen Bettpfanne, Waschschüssel und Frühstückstabletts, versuche ich auf die individuellen Bedürfnisse meiner Patient:innen einzugehen. Sehr häufig stecke ich meine eigenen dafür zurück.

Während ich, beim Medikamenten verteilen, gerade noch den Überblick behalte, klingelt abwechselnd das Telefon oder die Patientenglocke.

Oft bin ich das Sprachrohr der Patient:innen gegenüber Ärzt:innen und Therapeut:innen und bin diejenige die den Patient:innen erklärt was in der Visite gerade besprochen wurde.

Wenn Angehörige mit dem ärztlichen Dienst reden wollen, brauchen sie viele Zeit und Geduld. Ich spreche mit ihnen obwohl ich eigentlich keine Zeit habe. In Notfällen wird von mir verlangt, dass ich funktioniere und die Handgriffe sitzen, während andere wie versteinert nur dastehen und nichts tun.

Was bringt mir das Klatschen, wenn ich am Ende der Schicht fix und fertig bin und noch nichts gegessen oder getrunken habe und schon gar nicht auf der Toilette.

Immer mehr Kolleg:innen fliehen aus diesem eigentlich so wunderbaren Beruf. Wenn es so weitergeht, dann „Pflegt euch doch selbst“.

Lied von Pflexit oder Rebellion

Der Chor ist als Klinikpersonal erkennbar gekleidet. Bei jeder Strophe tritt eine Person vor und singt, eine zweite tritt neben sie und unterstützt den Inhalt pantomimisch. Die Refrains werden von allen gemeinsam gesungen.

  1. Ich wollt ich wär ein Huhn
    Ich hätt nicht viel zu tun
    Ich legte jeden Tag ein Ei
    und Sonntags auch mal 2

    Refrain 1:
    Ich müsste nie mehr auf Station
    Und blieb vom Arbeitsstress verschont

  2. Was ist das Grundproblem?
    Das kannst auch du leicht sehn
    Das Krankenhaus wird zur Fabrik
      Und schaut nur auf Profit

      

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

  3. Ich wollt ich wäre Sportlerin
    Geh klettern dann ins Engadin
    In Seuchenzeit und Pandemie
    Fahr ich auch lieber Ski

    Refrain 1:
    Ich müsste nie mehr auf Station
    Und blieb vom Arbeitsstress verschont

  4. Der Fallpauschalendreck
      der muss jetzt endlich weg
    Und kämpfen wir nur stark genug  passiert’s bestimmt im Flug

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

  5. Ich wollt ich wäre Königin
    Läg dann um elf im Bett noch drin
    Der Wahnsinn in dem Krankenhaus
    Macht mir dann gar nix aus

    Refrain 1:
    Ich müsste nie mehr auf Station
    Und blieb vom Arbeitsstress verschont

  6. Die Pflegekraft nur rennt
    weil der Gesetzgeber pennt
    „Unterbesetzung ist gemein“
    kann man da nur laut schrein

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

  1. Ich wollt ich wär Karl Lauterbach
    ich bohrte Bretter dünn und flach
    Ach neee, oh je, da wär ich nun
    Viel lieber doch ein Huhn

    Refrain 1:
    Ich müsste nie mehr auf Station
    Und blieb vom Arbeitsstress verschont

  2. Das ist doch keine Art
    Wie man am Kranken spart
    Das macht uns seelisch selber krank
    Die Nerven liegen blank

      

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

  3. Ich wollt ich wär ne Bank
    Da wär ich niemals krank
    Und fühle ich mich doch mal fad
    Dann rettet mich der Staat

    Refrain 1:
    Ich müsste nie mehr auf Station
    Und blieb vom Arbeitsstress verschont

Alle haken sich unter und bewegen sich leicht im Takt

  1. Ein Krankenhaus, ein Team
    Wo alle gut verdien
    Am Personal wird nicht gespart
    Das ist doch sonnenklar

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

Bei „Entlastung jetzt“ fliegen die Fäuste in die Höhe

  1. Wir schuften wie die Blöden
    Das Ethos geht auch flöten
    Entlastung jetzt, sei unser Schrei
    Auf gehts, seid mit dabei

    Refrain 2:
    Drum müssen wir jetzt etwas tun
    Es braucht ne Klinikrebellion

In der letzten Zeile wird der Gesang langsamer. Die letzte Silbe wird langgezogen und klingt aus.

Musik: Peter Kreuder, Text: I.H und M.L.

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